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hatte sich ein bisschen gelockert, er hielt mich nur noch mit ei
nem Arm an sich gepresst, mit dem anderen öffnete er eine Sei
tentür hinter sich und warf einen Blick in das Nachbarzim
mer. Ein weiterer behandschuhter Mann hatte sich dort aufge
baut.
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»Das ist Frank«, sagte Paul. »Und weil er nicht so groß und
stark ist wie Millhouse, hat er eine Pistole, siehst du?«
»Ja«, knurrte Gideon und warf die Tür wieder zu.
Er hatte tatsächlich recht gehabt. Wir waren in eine Falle
geraten. Aber wie war das nur möglich? Margret Tilney konnte
doch unmöglich an jedem Tag ihres Lebens den Tisch für uns
decken und einen Mann mit einer Pistole im Nebenzimmer
sitzen haben.
»Woher wussten Sie, dass wir heute hier sein würden?«,
fragte ich Paul.
»Tja. Wenn ich jetzt sagen würde, dass ich es gar nicht wuss
te, sondern nur zufällig vorbeigekommen bin, würdest du mir
sicher nicht glauben, oder?« Er angelte nach einem Scone und
ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Wie geht es deinen lieben El
tern?«
»Halt den Mund!«, zischte Gideon.
»Aber ich werde sie doch wohl fragen dürfen, wie es ihren
Eltern geht!«
»Gut«, sagte ich. »Jedenfalls meiner Mum. Mein Dad ist
tot.«
Paul sah erschrocken aus. »Tot? Aber Nicolas ist ein Kerl
wie ein Baum, so gesund und stark!«
»Er hatte Leukämie«, sagte ich. »Er ist gestorben, als ich sie
ben war.«
»Oh, mein Gott. Das tut mir furchtbar leid.« Paul schaute
mich ernst und traurig an. »Das war sicher furchtbar für dich,
ohne Vater aufwachsen zu müssen.«
»Hör auf, mit ihm zu reden«, sagte Gideon wieder. »Er ver
sucht uns nur hinzuhalten, bis Verstärkung kommt.«
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»Denkst du immer noch, ich wäre hinter eurem Blut her?«
Die gelben Augen hatten einen gefährlichen Glanz.
»Allerdings«, sagte Gideon.
»Und du glaubst, Millhouse, Frank und ich und die Pistole
würden nicht allein mit dir fertig werden?«, fragte Paul spöt
tisch. »Allerdings«, sagte Gideon wieder.
»Oh, ich bin sicher, mein lieber Bruder und die anderen
Wächter haben dafür gesorgt, dass du eine richtige Kampfma
schine bist«, sagte Paul. »Du musstest schließlich den Karren
wieder aus dem Dreck ziehen. Oder vielmehr den Chronogra
fen. Unsereins hat ja aus reiner Tradition nur ein bisschen De
genfechten gelernt und die obligatorische Violine. Aber ich wet
te, du kannst auch noch Taekwondo und so einen Kram. Das
muss man wohl können, wenn man in die Vergangenheit reisen
und Menschen zum Bluten bringen will.«
»Bis jetzt haben diese Menschen mir ihr Blut freiwillig gege
ben.«
»Aber nur, weil sie nicht wissen, wohin das führen wird!«
»Nein! Weil sie nicht zerstören wollten, wofür die Wächter
seit Jahrhunderten geforscht, gewacht und gearbeitet haben!«
»Blablabla! Mit diesem pathetischen Gerede sind wir auch
unser Leben lang berieselt worden. Aber wir kennen die
Wahrheit über die Absichten des Grafen von Saint Germain.«
»Und was ist die Wahrheit?«, platzte es aus mir heraus.
Auf der Treppe waren Schritte zu hören.
»Da kommt die Verstärkung schon«, sagte Paul, ohne sich
umzudrehen.
»Die Wahrheit ist, dass er lügt, sobald er den Mund auf
macht«, sagte Gideon.
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Der Butler machte Platz, um ein zierliches rothaariges
Mädchen ins Zimmer zu lassen, nur ein bisschen zu alt, um
Lady Tilneys Tochter zu sein.
»Das kann ich nicht glauben«, sagte das Mädchen. Sie sah
mich an, als hätte sie noch nie etwas Seltsameres gesehen als
mich.
»Glaub es ruhig, Prinzessin!«, sagte Paul. Es klang zärtlich
und ein bisschen besorgt.
Das Mädchen stand auf der Schwelle wie angewurzelt.
»Du bist Lucy«, sagte ich. Die Familienähnlichkeit war
nicht zu übersehen.
»Gwendolyn«, sagte Lucy. Sie hauchte es eigentlich nur.
»Ja, das ist Gwendolyn«, sagte Paul. »Und der Typ, der sich
da an sie klammert, als wäre sie sein Lieblingsteddy, ist mein
Cousinneffe - oder wie auch immer man das nennt. Er will lei
der die ganze Zeit schon gehen.«
»Bitte nicht!«, sagte Lucy. »Wir müssen mit euch reden.«
»Ein anderes Mal gern«, sagte Gideon glatt. »Vielleicht,
wenn weniger Fremde dabei sind.«
»Es ist wichtig!«, sagte Lucy.
Gideon lachte auf. »Ja, ganz bestimmt.«
»Du kannst gerne gehen, Kleiner«, sagte Paul. »Millhouse
wird dich zur Tür begleiten. Aber Gwendolyn bleibt noch ein
bisschen. Ich habe das Gefühl, mit ihr kann man besser reden.
Sie hat noch nicht die ganze Gehirnwäsche über sich ... oh,
Scheiße!«
Der Fluch galt der kleinen schwarzen Pistole, die aus dem
Nichts in Gideons Hand aufgetaucht war. Er richtete sie ganz
ruhig auf Lucy.
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»Gwendolyn und ich werden jetzt in aller Ruhe das Haus
verlassen«, sagte er. »Lucy wird uns zur Tür begleiten.«
»Du bist ja vielleicht ein - Mistkerl«, sagte Paul leise. Er
war aufgestanden und sah unschlüssig zwischen Millhouse, Lu
cy und uns hin und her.
»Setz dich wieder«, sagte Gideon. Seine Stimme war eiskalt,
aber ich fühlte seinen rasenden Pulsschlag. Er hielt mich mit
seinem freien Arm immer noch fest an sich gepresst. »Und Sie,
Millhouse, setzen sich bitte dazu. Es sind noch jede Menge
Sandwichs da.«
Paul setzte sich wieder und sah auf die Seitentür.
»Ein Wort zu Frank und ich drücke ab«, sagte Gideon.
Lucy schaute ihn zwar mit großen Augen an, aber sie schien
keine Angst zu haben. Im Gegensatz zu Paul. Er schien wirk
lich zu glauben, dass Gideon es ernst meinte.
»Tu, was er sagt«, sagte er zu Millhouse und der Butler ver
ließ seinen Posten auf der Schwelle und setzte sich an den
Tisch, uns dabei bösartige Blicke zuwerfend.
»Du hast ihn bereits getroffen, nicht wahr?« Lucy sah Gi
deon direkt in die Augen. »Du bist dem Grafen von Saint Ge
rmain schon begegnet.«
»Dreimal«, sagte Gideon. »Und er weiß genau, was ihr vor
habt. Umdrehen.« Er setzte Lucy den Lauf der Pistole direkt
auf den Hinterkopf. »Vorwärts!«
»Prinzessin . . .«
»Es ist alles in Ordnung, Paul.«
»Sie haben ihm eine verdammte Smith-And-Wesson-
Automatik mitgegeben. Ich dachte, das verstößt gegen die zwölf
goldenen Regeln.«
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»Auf der Straße werden wir sie gehen lassen«, sagte Gideon.
»Aber sollte sich vorher hier oben jemand rühren, ist sie tot.
Komm, Gwendolyn. Sie müssen ein anderes Mal versuchen, an
dein Blut zu kommen.«
Ich zögerte. »Vielleicht wollen sie wirklich nur reden«, sagte
ich. Was Lucy und Paul zu sagen hatten, interessierte mich
brennend. Andererseits - wenn sie wirklich so harmlos waren,
wie sie taten, warum hatten sie dann diese Bodyguards in den
Zimmern postiert? Mit Waffen? Ich musste wieder an die
Männer im Park denken.
»Ganz sicher wollen sie nicht nur reden«, sagte Gideon. »Es
ist zwecklos«, sagte Paul. »Sie haben sein Gehirn gewaschen.«
»Es ist der Graf«, sagte Lucy. »Er kann sehr überzeugend sein,
wie du weißt.«
»Wir sehen uns wieder!«, sagte Gideon. Wir waren in der
Zwischenzeit schon auf dem Treppenabsatz angelangt.
»Soll das etwa eine Drohung sein?«, rief Paul. »Wir sehen
uns wieder, darauf kannst du dich verlassen!«
Gideon hielt die Pistole auf Lucys Hinterkopf gerichtet, bis
wir die Haustür erreicht hatten.
Ich rechnete jeden Augenblick damit, dass dieser Frank aus
dem anderen Zimmer geschossen kam, aber es rührte sich
nichts. Auch meine Ururgroßmutter war nirgends zu sehen.
»Ihr dürft nicht zulassen, dass der Kreis geschlossen wird«,
sagte Lucy eindringlich. »Und ihr dürft den Grafen niemals
wieder in der Vergangenheit aufsuchen. Vor allem Gwendolyn
darf ihm nie begegnen!«
»Hör einfach nicht hin!« Gideon musste mich gezwunge
nermaßen loslassen, während er mit der einen Hand die Pisto
le auf Lucy gerichtet hielt und mit der anderen die Haustür
öffnete und hinaus auf die Straße schaute. Von oben war
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Stimmengemurmel zu hören. Ich sah ängstlich die Treppe
hoch. Dort oben waren drei Männer und eine Pistole versam
melt und dort oben sollten sie auch bleiben.
»Ich habe ihn schon getroffen«, sagte ich zu Lucy. »Gestern
...«
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